Worauf es beim Azubi-Recruiting jetzt ankommt

Tobias Klem

Ein Interview mit Tobias Klem, Content Marketing Manager und Studienleiter vom azubi.report und der STARTKLAR Schülerstudie der Plattform Ausbildung.de. Das 2010 gegründete und marktführende Ausbildungsportal in Deutschland gehört zum Medienunternehmen Bertelsmann. Tobias Klem ist u. a. Experte für die Themenfelder digitales Recruiting und die Ansprache junger Zielgruppen.

Herr Klem, wie können Arbeitgeber:innen und Auszubildende über Ausbildung.de zueinanderfinden?

Ausbildung.de hat sich auf die Fahne geschrieben, den Berufseinstieg für jede:n möglich zu machen. Den Kern unserer Marke bildet dabei unser Ausbildungsportal, doch wir betreiben ebenfalls die Portale MeinPraktikum.de und Trainee.de. Unser Anspruch und die gemeinsame Mission der Portale: den bestmöglich passenden Job und Arbeitgeber finden. Wir bieten Unternehmen die Möglichkeit, sich und ihre Stellen dort zu präsentieren, wo potenzielle Bewerber:innen suchen – online. Ob kleiner Betrieb, mittelständisches Unternehmen oder großer Konzern: Mit Ausbildung.de kann man schnell und effizient digital durchstarten und die Talente von morgen finden. Dabei sind wir aber weit mehr als eine herkömmliche Jobbörse. Denn wir verbinden auf unserer Plattform modernes, digitales Employer Branding mit umfassenden Möglichkeiten zur Berufsorientierung – für die Gen Z und für alle, die nach dem passenden Ausbildungsberuf und Arbeitgeber suchen. Ob mithilfe der Berufsprofile auf unserem Portal – das sind ausführliche Berufsbeschreibungen, die Tätigkeiten und Anforderungen deutlich machen – oder über Social Media: Für uns ist klar, dass sich umfassend informierte Ausbildungssuchende gezielter bewerben, was auf Unternehmensseite zu einem höheren Fit der Bewerber:innen führt. Über 4.100 Unternehmen arbeiten bereits mit Ausbildung.de und profitieren von mehr passenden Bewerbungen aus ihrer Region.

Ganz kurz: Wie definieren Sie Azubi-Recruiting und Azubi-Marketing?

Vorweg: Es handelt sich dabei nicht um getrennte Disziplinen, auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag. Azubi-Marketing steht stellvertretend für die Marketing-Maßnahmen, mit dem ein Unternehmen über definierte Kanäle Ausbildungssuchende und Schüler:innen auf sein Angebot aufmerksam macht. Im besten Fall führt das in ein Bewerbungsverfahren. Und genau an dieser Stelle findet der fließende Übergang in das Azubi-Recruiting statt. Damit sind dann alle Maßnahmen innerhalb des Recruiting-Prozesses gemeint, vom Ausfüllen eines Online-Bewerbungsformulars über ein Vorstellungsgespräch bis hin zu Preboarding-Maßnahmen vor Ausbildungsstart.

 

„Informierte Ausbildungssuchende bewerben sich gezielter, was auf Unternehmensseite zu einem höheren Fit der Bewerber:innen führt.“

 

Welchen Stellenwert hat digitales Recruiting in Deutschland – sind die Betriebe und die Auszubildenden, die auf diese Weise suchen, eine Mehrheit oder eine Minderheit?

Blicken wir auf die Ausbildungssuchenden, lässt sich eines eindeutig feststellen: Die klare Mehrheit ist online unterwegs, wenn es darum geht, die passende Ausbildung und den passenden Arbeitgeber zu finden. Die Ergebnisse unserer Schülerstudie 2023 spiegeln das ganz deutlich: 96 Prozent der Schüler:innen nutzen das Internet, um sich über Arbeitgeber und Ausbildung zu informieren. 67 Prozent haben dabei auf Google zurückgegriffen, ebenfalls 67 Prozent auf Ausbildungsplattformen. Auf die Webseiten von Unternehmen surften 55 Prozent, und 45 Prozent nutzen soziale Netzwerke zur Informationssuche. Gerade die Konzerne sind bereits darauf eingestellt und bieten ein breit gefächertes digitales Angebot an – das reicht mitunter schon bis zur Gamification von Recruiting-Prozessen, in dem sich das Unternehmen und einzelne Abteilungen via Gameplay erleben lassen. Eine von uns durchgeführte Studie im Segment KMU hat gezeigt, dass mit 85 Prozent die große Mehrheit der Betriebe den Rekrutierungprozess von Auszubildenden mindestens teilweise digitalisiert haben. Sicherlich gibt es hier noch Luft nach oben, um den digitalen Gewohnheiten der Gen Z gerecht zu werden. Mit Blick auf die Branchen hat die Studie zudem gezeigt, dass Elektronik, IT & Software, Automotive und Einzelhandel die Nase in Sachen digitalem Azubi-Recruiting vorne haben. Hier finden wir den größten Anteil an komplett digitalisierten Prozessen vor. Schlusslichter sind Gastronomie, Handwerk, Lebensmittelindustrie und -produktion sowie die Tourismus- und die Eventbranche. Betrachtet man das Ganze auf regionaler Ebene, so zeigt sich, dass der Osten in Sachen Digitalisierung den größten Nachholbedarf hat.

Wie genau funktioniert zeitgemäßes Recruiting?

Kurz: authentisch, digital und so einfach wie Online-Shopping. Mit inhaltsleeren Jobbeschreibungen, Anforderungskatalog und Stockfotos kann man junge Bewerber:innen nicht überzeugen. Es sind die Unternehmen, die sich beim Nachwuchs bewerben müssen. Und das ohne Fachvokabular, mit echten Einblicken und ohne mit Erwartungen abzuschrecken. Vielmehr sollte eingeladen werden, zum Beispiel in Stellenanzeigen, mit Qualifikationen, die Azubis im Laufe ihrer Ausbildung erwerben können. Zeitgemäßes Recruiting bedeutet ebenfalls: reibungslose Prozesse. Die Digital Natives sind es gewohnt, mit wenigen Klicks an ihr Ziel zu kommen. Man muss sich vor Augen führen, wie einfach es ist, sich online ein paar neue Sneaker zu bestellen. Genau das ist der Vergleichswert der Gen Z. Über die Hälfte unserer befragten Schüler:innen für die STARTKLAR Schülerstudie 2023 würden eine Bewerbung per Online-Bewerbungsformular abbrechen, wenn das System zu kompliziert ist und überfordert! Übrigens: Die eigenen Azubis sind die besten Tester:innen für die (Karriere-)Website. Sie können das Online-Bewerbungsformular durchlaufen und Inhalt und Funktion prüfen. Gibt es Probleme oder Kritik? Dann sollten diese ernst genommen werden! Unternehmen tun außerdem gut daran, ihre digitalen Angebote und Prozesse mobiloptimiert anzubieten. Denn 24 Prozent der Schüler:innen finden es entspannter und schneller, sich per Handy zu bewerben oder haben lediglich dieses als Endgerät für eine Bewerbung zur Verfügung.

Über welche Kanäle suchen Azubis nach Ausbildungsplätzen?

Unsere Schülerstudie 2023 zeigt: 9 von 10 Schüler:innen starten ihre Ausbildungssuche online. Doch auch die Eltern spielen eine wichtige Rolle. Mehr als die Hälfte der Schüler:innen nutzen sie als Informationsquelle, wenn es um die berufliche Orientierung geht. Und mehr als ein Drittel finden die Informationen, die sie bekommen, auch hilfreich. Interessant ist, dass wir anhand unserer aktuellen Schülerstudie sehen, dass Karriere- und Ausbildungsmessen eher ins Hintertreffen geraten. Ein Drittel unserer Befragten haben zwar ein solches Angebot vor Ort wahrgenommen, doch hilfreich fanden es gerade einmal 15 Prozent. Ein weiteres Drittel nimmt das Angebot vom Arbeitsamt oder Berufsinformationszentrum an.

 

„9 von 10 Schüler:innen starten ihre Ausbildungssuche online.“

 

Welche Erwartungen haben Azubis an Unternehmen?

Schüler:innen beziehungsweise Azubis haben ein klares Werteverständnis: Respektvoller Umgang, gleiche Chancen für alle Mitarbeiter:innen, soziales Engagement und nicht zuletzt eine angemessene Bezahlung sind Teil dieser Vorstellung. Azubis erwarten ein gesundes Miteinander. Wertschätzung, Ehrlichkeit und ein authentisches Auftreten sind Grundvoraussetzungen, damit man zusammenfindet. Auch die Relevanz eines nachhaltigen Geschäftsmodells nimmt weiter zu. Man sollte also auf keinen Fall mit falschen Versprechungen an die Bewerber:innen herantreten – gerade wenn es auf die Zielgerade geht. In einer Lebensphase, in der weitreichende Entscheidungen für die Zukunft getroffen werden, ist es zudem wichtig, den Sinn und Zweck hinter einem Beruf zu erkennen. Das bedeutet: Schüler:innen müssen bereits in der Orientierungsphase abgeholt werden. In Bezug auf die Ausbildung gibt es sehr klare Vorstellungen. Mehr als die Hälfte der Schüler:innen, so zeigt es unsere Schülerstudie 2023, würden einem Unternehmen absagen, wenn es keinen Ausbildungsplan gibt. Ebenso sollte über die Aufstiegsmöglichkeiten gesprochen werden. Die berufliche Zukunft und die Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen sind von großem Interesse. Auch die persönliche Unterstützung und Betreuung ist ein Thema. Das macht vor allem unser azubi.report 2022 deutlich: Von den Auszubildenden, bei denen der Arbeitgeber die Erwartungen an eine Ausbildung nicht erfüllt hat, gaben 55 Prozent als Grund dafür an, mit den Aufgaben allein gelassen zu werden. Und natürlich darf man nicht außer Acht lassen, dass die Corona-Pandemie die Art und Weise, wie wir arbeiten, in den letzten Jahren tiefgreifend verändert hat. 40 Stunden im Büro – für viele ist das kaum mehr vorstellbar. Schüler:innen und Azubis haben diese Veränderungen mitbekommen – ob beim Ausbildungsunternehmen oder in der Familie. So kommen Wünsche hinzu, die sich in der Ausbildung vielleicht noch schwer umsetzen lassen, aber bereits zeigen, in welche Richtung es geht: 55 Prozent der Befragten geben in unserer Schülerstudie 2023 an, dass es ihnen bei einem Beruf wichtig ist, diesen ortsungebunden ausüben zu können. Etwas mehr als ein Drittel möchte die Arbeitszeit frei gestalten können. Vor allem aber sollen sich die Arbeitszeiten gut mit dem Privatleben vereinbaren lassen. Darüber sind sich drei Viertel unserer Befragten einig.

Was bedeutet für die Generation Z „gute Arbeit“?

„Gute Arbeit“ bedeutet vor allem auch mitgestalten können. Schüler:innen bringen die Bereitschaft mit, sich in der Ausbildung aktiv einzubringen. 76 Prozent unserer befragten Schüler:innen der Schülerstudie 2023 möchten einen Beruf ausüben, bei dem sie am Fortschritt mitwirken können. Und darin steckt Potenzial, wenn Unternehmen offen sind für Ideen des Nachwuchses. Eine Idee für mehr Nachhaltigkeit und zugleich ein Vorschlag für den Bewerbungsprozess: Wichtig ist, zuzuhören und den Input der Auszubildenden ernst zu nehmen. „Gute Arbeit“ lässt sich außerdem reibungslos in die eigene Lebensvorstellung integrieren. Mehr als die Hälfte der für unseren azubi.report 2022 befragten Auszubildenden wünschen sich eine gute Work-Life-Balance.

 

„Wichtig ist, zuzuhören und den Input der Auszubildenden ernst zu nehmen.“

 

Womit können Betriebe bei jungen Menschen punkten?

Mit Obstkorb, Kaffee und Kicker lassen sich auch angehende Azubis nur schwer überzeugen. Je mehr Unterstützung geboten wird, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, passende Azubis zu finden. Das fängt bei einem entsprechenden Orientierungsangebot des Unternehmens an und geht bei konkreten Leistungen weiter. Das kann die Finanzierung des Führerscheins sein, die Unterstützung bei der Wohnungssuche oder die Bereitstellung einer Unterkunft – aber auch ein erweitertes Bildungsangebot. Denn das kann dabei helfen, die Voraussetzungen für das Gelingen einer Ausbildung zu schaffen und Kandidat:innen entsprechend zu qualifizieren und zu integrieren.

Was raten Sie Unternehmen, die sich bislang noch nicht um digitales Recruiting gekümmert haben?

Auf keinen Fall noch länger zögern! Denn es ist einfacher, als viele denken, insbesondere, wenn sie Unterstützung von Expert:innen haben. Online auffindbar zu sein ist der erste wichtige Schritt, um bei jungen Ausbildungssuchenden sichtbar zu werden und die richtige Zielgruppe digital zu erreichen.

Zur Schülerstudie Zum azubi.report

Interview: Katja Tamchina

Foto: Ausbildung.de

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